Drei Monate – ein Rückblick

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(english version below)

Nach den ersten drei Monaten soll das erste Tief kommen hat man mit gesagt,  bevor wir uns auf den Weg gemacht haben. In den ersten drei Monaten ist noch alles schillern, neu und aufregend. Danach merke man, dass in der neuen Heimat auch alles nur Routine ist und die gleiche Langeweile eintritt, wie es in der alten Heimat der Fall war und einem tiefes Heimweh trifft. Ich hatte Angst davor, dass diese prognostizierte Depression kommen wird, in der man grübelnd in der neunen Wohnung sitzt und sich fragt, ob das alles die richtige Wahl war oder man nicht den größten Fehler seines Lebens gemacht hat und jetzt aussitzen muss.

Bisher hat sich noch nichts von dem bewahrheitet. Ich genieße den Blick aus dem Fenster immer noch sehr, egal ob es 35 Grad sind oder ein Sturm über die Küste zieht, der es einem unmöglich macht einen Schritt vor die Tür zu setzen. Ich bin immer noch neugierig auf das, was hinter der nächsten Kurve kommen mag, sei es der schönste Muschelstrand oder das ewige Nichts. Ich freue mich auf jeden Abend, ob ich ihn mit neuen Gesichtern oder allein strickend auf der Couch verbringe während mir der Geruch von Nachbars Grillsessions Gesellschaft leistet. Ich schlage jeden Morgen gern die Augen auf, sauge den salzigen Meeresgeruch ein und schätze mich glücklich mit meinem Mann in einen neuen Tag starten zu können.

Es schmerzt allerdings, dass etwas passiert ist, von dem ich nicht gedacht hätte dass es passiert. Ich hätte nicht erwartet, dass die Missgunst aus den Ritzen kriecht und ein sehr hässliches Gesicht zeigt. Wenn es Neid wäre könnte ich damit leben. Dann würde ich jeden in die Arme nehmen und sagen, dass nichts dagegen spricht selbiges zu machen. Und wen nicht selbiges, dann das, was sie schon lange wollten, sich aber nie getraut haben. Ich würde hundert Gründe finden, genau das zu tun und ebenso hundert Wege die dorthin führen. Aber es ist Missgunst, die sich in den völlig gegensätzlichen Annahmen äußert, dass wir nur am Strand sitzen, gutgläubig versuchen die Welt zu verändern, faul sind, keinen richtigen Job in unserer Heimat bekommen hätten, wirkliche Lebensziele nicht ernst genug nehmen oder Geld verbraten, das anders besser angelegt wäre. Wie wird nicht gesagt, nur besser. Dass wir nicht in der EU sind, es das Visum nicht geschenkt bekommt gibt und wir ebenso eine 40-Stunden Woche wie jeder andere auch haben wird von der Hand gewischt. Unverschämt sei das Glück, nach Feierabend die Füße ins Meer zu hängen. Oder es wird mir gesagt, dass es jeder andere auch geschafft hätte, wenn er gewollt hätte, es aber eben für die meisten Menschen wichtigere Dinge gibt, als einen Traum zu verwirklichen. Sicherheit zum Beispiel, an die ich nicht denke. Es tut weh. Wahrscheinlich war es vorprogrammiert, dass sich in diesen extremen Zeiten, in denen man nicht bei einem Kaffee über den Alltag redet, der bei jedem gleich ist, die Spreu ein bisschen vom Weizen trennt.

Das alles soll nicht heißen, dass ich nichts vermisse. Ich vermisse einiges. Am schlimmsten enge Freunde und Familie, die ich am liebsten durch das Telefon ziehen würde, um so vieles mit Ihnen zu teilen. Um ihre Gesichter zu sehen, wenn ihnen die Ozeanluft durch die Haare saust, Eselskarren neben Ihnen an der Ampel halten, ihnen Straußennacken beim Fleischer angeboten wird, der Strom ausfällt, weil man nicht neben der Brauerei wohnt, dem wohl einzigen Ort neben dem Krankenhaus, in denen Stromausfälle ein Fremdwort sind, wenn Geckos über den Essenstisch huschen oder wenn man sich wie der erste Mensch anstellt und versucht ein paar Worte in der Landessprache raus zu bekommen und auf großes Gelächter stößt. Dies sind Sachen, die weh tun. Da gibt es keinen Zweifel. Umso schöner ist es, durch E-Mails, Telefonate, Briefe und Kurznachrichten nicht nur nach dem Leben hier gefragt zu werden, sondern auch weiterhin am Leben der anderen teilhaben zu können, ohne das Gefühl zu haben, langsam vergessen zu werden. Ich vermisse euch.

 

Three months – a retrospect

After the first three months there will be the first emotional down they told me before we went on our way to South Africa. During the first three month everything will be iridescent, new, and exciting. After that, you will recognize that in the new home there will also be just routine and you will be bored the same way you were in your old home. And than you will be hit by a deep homesickness. I was afraid, that this predicted depression will come and I will sit ruminative in my new flat, wondering if this was the right choice  or if I did the biggest mistake ever and am now forced to sit it out.

Up to now nothing of this came true. I still enjoy the view, no matter if it is 35 degrees outside or a big storm hitting the coast so that it is not possible to set one foot outside the flat. I´m still curios what I will find behind the next corner, may it be the most beautiful beach full of shells or the eternal nothing. I´m looking forward to every evening, no matter if I will spent it with a lot new faces or alone knitting on my couch only with the smell of my neighbors brai as company. I open my eyes every morning, smell the salty air of the ocean and am happy to start a new day together with my husband.

But there happened things, that hurt and of which I never thought they will happen. I wouldn’t expected the malevolence crawling out of some human cracks,  showing a very ugly face. I could live with it, would it be jealously. In that case I would hug them and tell them that there is now reason not to do the same. And if not the same, than whatever they always wanted to do but were always afraid of. I would find hundred reasons to do exactly that and also hundreds of ways to realize it. But it is malevolence that expresses itself in the exposed assumptions that we were only sitting on the beach, credulous trying to change the world, are lazy, wouldn´t have found a right job in the real world , don´t take real aims in life seriously, or blow our money although there would have been better ways to spend it. How, they won´t tell, just that. That we are not living in the EU, didn´t get a Visa as a present and we work 40 hours a week like everybody else seems not to matter. It would be an impertinent luck, to have the possibility to go to the ocean after work. Or they tell me, that everybody else could have done the same, if they just have wanted to, but for most people there are more important things than living their dreams. Financial security for example, a thing I would forget. It hurts. But probably it was inevitable that in this times, were our daily routines aren´t the same anymore, the wheat separates from the chaff.

All that doesn´t mean that I don´t miss anything. I do. At most my closest friends an my family, which I would love to pull through the phone so that I can share so many things with them. I want to see their faces when the cool ocean air roars through their hair, donkey carts stop next to them at the traffic lights, they got offered ostrich necks at the meat counter, there are power breakdowns and you don´t have the luck to live next to a brewery, except the hospitals the only places in town were there will never be breakdowns, when geckos scurry over the tables, or when I behave like the last human being, trying to speak a few words in the national language and receive peals of laughter. It hurts, not to have them here. Without any doubt. So it is just lovely, to stay in contact via E-Mails, phone, letters and all kind of short messages and not only get asked how life is going on here but also to feel like a part of their lives as well, without being forgotten. I miss you all.

 

7 thoughts on “Drei Monate – ein Rückblick

  1. Liebe Franzi, lass dich nicht von Miesmachern und Missgünstigen beirren. Du tust genau das Richtige! Ja, ich gebe zu, ich kriege tatsächlich ein wenig Fernweh und “Ich will auch!”-Gefühle, wenn ich dich lese, aber ich gönne dir von Herzen, dass du deinen Traum wahr machst. Du gibst mir den Mut, hier meine eigenen kleinen Alltagsträume Stück für Stück wahr zu machen (vielleicht schaffe ich es ja tatsächlich irgendwann nach Island?) und ich freue mich jedes Mal, wenn ich von dir höre und deine Bilder sehe, sei es hier, auf Facebook oder per Kurznachricht (Die Giraffe!) . Geh deinen Weg!

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  2. Was stört es den Baum, wenn sich die Sau an ihm kratzt?! Kann man leider in Afrika nicht sagen, weil die das Sprichwort haben: die Sau weiß schon, an welchem Baum sie sich kratzen kann. Sprich: die Mies-Anthropen wissen schon, wem sie wie die Laune angemessen verderben können, um ihrem Assel-Dasein im eigenen Lebenskeller einen höheren Sinn zu geben. Da gibt es nur eins: Gar nicht ignorieren, wie mein Deutschlehrer immer sagte (der selber mies-antrop war, aber das nur nebenbei).

    Sagt denen, das sei alles Karma, und dass sie ihr Karma mit derselben Demut und Würde ertragen mögen, mit derselben Heiterkeit und Beschwingtheit wie ihr eures ertragt. Wahrscheinlich haben sie schon in ihren früheren Leben missgegünstelt, und “sowat kommt nu ma von sowat”.

    Sagt denen, dass ihr – nach langer Überlegung – genau das Richtige tut, denn schon Blaise Pascal hat erkannt, dass alles Übel der Welt davon ausgeht, dass der Mensch nicht ruhig in seinen vier Wänden (bzw. in den vier Winden, nämlich am Strand) sitzen bleiben kann. Scheut euch nicht, deutlich die beiden entscheidenden Tatsachen zu nennen, die Pascal von eurem Quälgeist (leider) unterscheiden: Pascals Weisheit und dass er schon tot ist.

    Sagt denen, sie sollen erst mal wieder so jung werden wie ihr, bevor sie über wirkliche Lebensziele schwafeln. (Geht auch umgekehrt: Werd’ du erst mal meines Alters, bevor du wie mein Alter sprichst! Aber ich nehme an, es sind die Elteren, die so zu euch sprechen.)

    Sagt denen, dass – metaphorisch gesprochen – Entwicklung und Sicherheit sich weitgehend ausschließen, und ihr deswegen nicht in Deutschland arbeitet, sondern in unsicherer Freiheit Entwicklungshilfe leistet.

    Sagt denen am Besten gar nichts. Denn Argumente bewirken nichts, weil es hier um etwas ganz anderes geht, u.a. auch um Macht, bzw. Kontrolle, da bin ich sicher. Ihr habt jedes Recht, überzeugt zu sein, von dem, was ihr tut, und diese Überzeugung stolz darin mitschwingen zu lassen. Ihr braucht keinen Erlaubnisschein – schon gar nicht von denen.

    Wenn ihr also das nächste Mal entspannt am Strand sitzt und es kommt jemand, der sich beschwert, dass ihr ihm nur den Sauerstoff wegatmet, dann holt extra tief Luft – und schweigt. Der geht auch wieder weg. Vielleicht seht ihr ihn ja nochmal mit einem blauen Auge und wisst, dass ihm jemand eine passende Antwort gegeben hat. Vielleicht sagt ihr ihm dann, das hättet ihr auch geschafft, wenn ihr nur gewollt hättet, aber es gibt eben wichtigere Dinge für euch, als jeden Traum zu verwirklichen.

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  3. Apropos Karma… (das ist ein großartiger Text, Horst!)
    Ich mag dieses Zitat, das mich irgendwann mal auf tumblr ansprang:
    “I hope Karma will slap you in your face BEFORE I DO!” ;-P

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